Liebe Kerstin

Garmish, den 1.3. 1933
Liebe Kerstin,
Wie geht es dir? Ich bin in Süddeutschland, und ich dürfte dir eigentlich nicht schreiben. Aber ich musste es einfach tun, meine beste Freundin, bevor ich nach Ungarn reise. Es sind für uns dramatische Zeiten. Der Grund für unsere plötzliche Reise ist, dass Hitler an die Macht gekommen ist. Er ist nun Kanzler geworden. Meine Eltern sagen, dass die Regierung die Juden nicht leiden könne, und dass die Juden jetzt schlecht behandelt und verfolgt werden würden. Ich verstehe es nicht. Unsere neue Lehrerin Frau Weigand ist nationalsozialistisch eingestellt, und sie spricht vom Idealmenschen mit blauen Augen und blonden Haaren. Dazu gehören wir nicht. Ich glaube, dass die Nazis Juden hassen. Ich fühle mich jetzt wie das hässliche Entlein, das niemand gern hat.
Meine Eltern meinten, dass wir Deutschland schnell verlassen müssten. So sind wir nach Ungarn gereist. Meine Großmutter wohnt in Ungarn. Wir sind drei Tage mit dem Bus gefahren, und wir haben ein paar Nächte draußen im Wald geschlafen. Mein Vater sagte, dass es für uns sehr gefährlich wäre, in die Städte zu gehen. Aber jetzt sind wir glücklicherweise in Garmisch angekommen. Da hat mein Vater Verwandte, die uns helfen können.
Wir reisten zusammen mit drei anderen jüdischen Familien. Die drei anderen Familien haben keine Kinder in meinem Alter. Es sind die Familien Goldmann, Stein und Mechtel. Die Goldmanns wohnen hinter einem Bäckerladen. Sie sind sehr nett, aber sie sind alt. Die Mechtels wohnen in einem großen Haus an der Hauptstraße. Sie haben keine Kinder. Die Steins sind furchtbar arm. Sie haben alles, was sie besaßen, verlassen müssen.
Ich vermisse dich und die Schule. Ich hoffe, dass wir einander bald wiedersehen werden. Ich hoffe, dass Hitler bald entmachtet wird, und dass wir dann schnell nach Hause zurückkommen können. Hast du noch deinen Freundschaftsring? Du musst diesen Brief gleich verbrennen, wenn du ihn gelesen hast, weil niemand wissen darf, wo wir uns aufhalten.
Viele herzliche Grüße
Esther
- Warum musste Esther plötzlich abreisen?
- Wohin reiste Esther?
- Warum hat Esther im Wald geschlafen?
- Kannst du die drei anderen jüdischen Familien beschreiben?
- Warum muss Kerstin gleich den Brief verbrennen?
Klassen inddeles i grupper på tre elever.
Der er tre roller: oplæseren, sprogmesteren og oversætteren.
- Oplæseren læser første afsnit.
- Sprogmesteren spørger hvilke ord og vendinger, der kræver en forklaring. Sprogmesteren slår eventuelt ordet i ordbogen.
- Oversætteren oversætter teksten.
Rollerne roterer med uret, og næste afsnit ”rollelæses”.
